Der Empfänger // Ulla Lenze // eBook // 302 Seiten // Klett-Cotta Verlag
Der Klappentext von „Der Empfänger“ hat mich sofort neugierig gemacht. Ich habe eine spannende Spionagegeschichte erwartet, was leider nicht der Fall war.
Klappentext:
Vor dem Kriegseintritt der Amerikaner brodelt es in den Straßen New Yorks. Antisemitische und rassistische Gruppierungen eifern um die Sympathie der Massen, deutsche Nationalisten feiern Hitler als den Mann der Stunde. Der deutsche Auswanderer Josef Klein lebt davon relativ unberührt; seine Welt sind die multikulturellen Straßen Harlems und seine große Leidenschaft das Amateurfunken. So lernt er auch Lauren, eine junge Aktivistin, kennen, die eine große Sympathie für den stillen Deutschen hegt. Doch Josefs technische Fähigkeiten im Funkerbereich erregen die Aufmerksamkeit einflussreicher Männer, und noch ehe er das Geschehen richtig deuten kann, ist Josef bereits ein kleines Rädchen im Getriebe des Spionagenetzwerks der deutschen Abwehr. Josefs verhängnisvoller Weg führt ihn später zur Familie seines Bruders nach Neuss, die den Aufstieg und Fall der Nationalsozialisten aus der Innenperspektive erfahren hat, und letztendlich nach Südamerika, wo ihn Jahre später eine Postsendung aus Neuss erreicht. Deren Inhalt: eine Sternreportage über den Einsatz des deutschen Geheimdienstes in Amerika.
Meine Meinung:
Ein tolles Buchcover
Das Buchcover von „Der Empfänger“ konnte mich sofort begeistern. Der etwas verschwommen abgebildete und nicht wirklich erkennbare Mann, der auf dem Cover zu sehen ist, passt für mich perfekt zum Inhalt des Buches und strahlt etwas Geheimnisvolles aus, das ich auch beim Lesen des Klappentextes empfunden habe.
Der Schreibstil
von Ulla Lenze ist sehr speziell und ich habe eine ganze Weile gebraucht, bis ich im Buch angekommen bin. Die Handlung beginnt mit der Jetztzeit und springt dann immer wieder in verschiedenen Zeitebenen hin und her. Dieser Wechsel der Erzählzeiten hat mir eigentlich sehr gut gefallen, denn so erfährt der Leser nach und nach mehr über Josef und auch über Carl, seinen Bruder, mit dem er eigentlich nach Amerika auswandern wollte. Da Carl aber einen Unfall hatte, musste Josef alleine auswandern. Lange weiß der Leser nicht so recht, was Josef tatsächlich erlebt hat und warum er wieder bei seinem Bruder und dessen Familie in Neuss lebt. Allerdings ist schnell klar, dass ihn sein Aufenthalt in Neuss nicht wirklich glücklich macht und er wieder weg möchte.
Vor allem die Anfangszeit in Amerika hat mir sehr gefallen, denn es war wirklich gut beschrieben, wie Josef immer tiefer in etwas hereinrutscht, was er eigentlich gar nicht will.
Die Protagonisten
in diesem Buch habe ich allerdings sehr emotionslos beobachtet und ihr Schicksal wahrgenommen, ohne dass es etwas mit mir gemacht hätte. Lange habe ich darüber nachgedacht, warum dem so war. Denn eigentlich hält das Schicksal von Josef viele Emotionen bereit. Er wünscht sich nichts mehr als in Amerika zu leben, schafft es auch dort hin und rutscht dort dann in Tätigkeiten ab, die er eigentlich gar nicht möchte. Als ihm dieser Umstand bewusst wird, ist es schon zu spät, um noch unbeschadet herauszukommen. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage: Hätte Josef überhaupt eine Chance gehabt? Wie schon gesagt, das Leben von Josef hält viel Diskussionsstoff bereit, dennoch habe ich es beim Lesen eher so hingenommen wie es ist. Ob es daran lag, dass Josef auch wenig Kampfgeist gezeigt hat? Er hat ein paar Mal versucht, sich zu wehren, aber so richtig geklappt hat es nicht. Aber auch hier stellt sich die Frage, ob es überhaupt hätte klappen können?!
Auch die Liebesgeschichte, die sich zwischen Josef und der Amerikanerin Lauren entwickelt, konnte mich in keiner Weise berühren. Sie war da, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass keiner der Beiden jemals wirklich glücklich und zufrieden war.
Dasselbe Gefühl hatte ich beim Betrachten der Beziehung von Josef zu seinem Bruder Carl. Carl hat ihm natürlich angeboten, bei ihm und seiner Familie zu wohnen, doch so wirklich Willkommen war Josef irgendwie nie. Die Familie wirkte auf mich steif und teilweise sogar bemitleidenswert. Natürlich war ein Fünkchen Familiengeist fühlbar, aber doch sehr wenig. Eine einzige Szene zwischen Carl und Josef konnte mich tatsächlich berühren, was mich fast überrascht hat …
Leider haben mich selten Protagonisten so wenig berührt wie Josef, Carl, Lauren & Co. Ich habe das Buch sehr distanziert gelesen und war über diesen Umstand während des Lesens doch sehr unglücklich. Geändert hat sich bis zum Beenden des Buches daran aber leider nichts.
Ein spannendes Stück Geschichte
habe ich in diesem Buch erwartet. Vor allem, weil es um das Leben Deutscher während des 2. Weltkrieges in Amerika geht. Ich habe irgendwie eine spannende Spionagegeschichte erwartet, die mich von vorne bis hinten fesselt. Bekommen habe ich eine Geschichte über das Schicksal eines Menschens, der irgendwie nirgends zu Hause ist. Mich konnte das Buch leider nicht wirklich begeistern, was aber vielleicht auch an meinen falschen Erwartungen lag.
Mein Fazit:
„Der Empfänger“ von Ulla Lenze ist eine leise Geschichte über das Schicksal eines Menschens, der unbewusst in Dinge gerät, mit denen er eigentlich nichts zu tun haben möchte, dann aber mit den Konsequenzen leben muss. Das Schicksal von Josef hat mir wirklich leid getan, konnte mich aber leider nicht wirklich berühren, da er mir einfach zu naiv war.
